generation einfallslos?
In der ersten Reihe des Vortragssaales des Musil Museums in Klagenfurt sitzen neun Stipendiaten, erstmals handselektiert von den Tutorinnen und Tutoren des Literaturkurses, den sie besuchten. Sie sitzen da und tragen, bis auf zwei Ausnahmen, Nichtfarben und bescheidene Erdtöne: schwarz, grau, beige, weiß. Sie sind in meinem Alter, aber keiner von ihnen kommt mir bekannt vor. Umso mehr dafür die Projekte, an denen sie mitarbeiten: Sprachgebunden, Bella Triste, Poetenladen, Lauter Niemand und so weiter. Namen und Autorengruppen, die andere Nachwuchstalente geradezu neidisch machen. Entsprechend blasiert die Attitüde mancher: Eine der Autorinnen hält es beispielsweise nicht für nötig, sich zu bedanken, als ich ihr einen Getränkedeckel aufhebe, der in meine Richtung rollt. Vielleicht ist sie aufgeregt. Gut ist, dass sich der Saal bis auf den letzten Platz füllt, das gibt Hoffnung.
Das Publikum ist gemischt, es ist schwer zu sagen, wer nur interessiert ist, und wer im Betrieb was zu sagen hat. Hannes Becker fängt an. Er hat wie viele hier neure deutsche Literatur studiert. Als erster zu lesen, an diesem Nachmittag, das ist hart, denke ich. Er sagt auch nicht viel, nur einmal Danke am Anfang und noch einmal Danke am Ende. Sein Text ist sprachlich solide, wie alle Texte, die an diesem Nachmittag gelesen werden. Inhaltlich gehört sein Text dank des Freunde-als-Ersatzfamilien-Themas zu den originelleren Arbeiten, obwohl er wie sieben seiner Kollegen in der ersten Person Singular schreibt. Neben dem Trend zur sexuellen Explizität (auch Beckers Text kommt sehr zu meiner Enttäuschung nicht ohne die Wörter Schwanz und Arsch aus) scheint es jenen zur Selbstreflexion zu geben, bei dem ich ja auch mitmache – von dem ich mich an dieser Stelle allerdings gerne verabschieden würde. Es scheint, wir machen uns das Schreiben doch ein wenig einfach. Selbst Daniela Dröscher, die mit ihrem Text eine der besten Arbeiten des Tages vorträgt, hat – das behaupte ich hier einfach einmal – fast nichts an ihrer Geschichte erfunden. Das an sich ist zwar nicht weiter schlimm, doch wenn sich in jedem textlichen Versuch unserer Generation stets dieselben Bilder wiederholen (Himmel, Straße/ Asphalt, Gras, Hügel, Sommer) und es sich bei jedem zweiten Prosastück um einen „Reisebericht" handelt, dann sind die Ähnlichkeiten schon auffällig. Haben wir denn keine anderen Themen? Oder, anders gefragt, ist es die Nachfrage der Leserschaft nach immer privateren Eindrücken, die uns mit Phantasielosigkeit davonkommen lässt? Denn, das ist ganz offensichtlich, bestünde kein Interesse an dieser Art der Literatur, hätten wir jüngeren Autoren mit unseren beinahe generischen Abhandlungen weitaus weniger Erfolg. Sprachgefühl und sichere Vortragsweise alleine machen schließlich keinen interessanten Text. Ist all die Präsensprosa teilweise konfusen Inhalts wirklich das, was die älteren Hasen von uns jungen Karnickeln hören wollen? Sehr gut formulierten Seelenstriptease, wie exemplarisch bei Lisa-Maria Seydlitz? Dann schon lieber erzählerisch-experimentelle Ausrutscher wie bei Elisa Ring, die mit ihren rabenschwarzen baren Füßen zwar in der Sinnlosigkeit ihrer Prosa versumpft, aber wenigstens eine eigene Stimme entwickeln konnte. Die Schwierigkeit besteht meines Erachtens darin, die Authentizität des Erlebten nur dann mit Vorstellungskraft zu bereichern, wenn sie zuletzt auf eine neue, künstliche Weise allgemein gültig werden kann. Ihr, liebes, erfahrenes Publikum, müsst uns dabei helfen, das eine vom anderen unterscheiden zu lernen.
5 comments:
alles in allem kann ich dir schon folgen und auch zustimmen, aber "die authentizität des erlebten", die dann im text mit erfundenem angereichert wird, finde ich dann doch verquer ausgedrückt, das klingt ja so als gäb's ein irgendwie unmittelbares erleben, dann im text abgebildet wird, das unterschlägt die eigengesetze von texte ja völlig.
Klingt ja nach einer schlimmen Veranstaltung.
Diesen Satz: "Das Publikum ist gemischt, es ist schwer zu sagen, wer nur interessiert ist, und wer im Betrieb was zu sagen hat." verstehe ich nicht. Oder wenn, dann kann ich ihn nur so verstehen, als gäbe es eine Art Zugangsberechtigung (Germanistik- oder Literatur-Studium oder zumindest der Nachweis eines Creative-Writing-Seminars?) für 'den Betrieb'.
Nachdem du - zutreffend, finde ich - einen modischen Trend des Schreibens charakterisiert hast, schreibst du: "Haben wir denn keine anderen Themen? Oder, anders gefragt, ist es die Nachfrage der Leserschaft nach immer privateren Eindrücken, die uns mit Phantasielosigkeit davonkommen lässt?" Wer sagt dir, daß davongekommen wird? Die schnelllebige Resonanz der in-groups, in denen Außenwelt nicht mehr vorkommt (und womit diese zu oft gut leben)?
Manchmal, wenn ich an den Buchauslagen in Buchläden vorbei schlendere, spiele ich das Spiel: Was wurde eigentlich aus ...? Was meistens sehr harsch auf den Boden der Tatsachen zurück bringt. So oft können auch die engagiertesten Autoren nicht sterben, daß sie sich damit dauerhaft in den Regalen etablierten.
Und - kann es nicht sein, daß der aktuelle Betrieb diese Art der Mitläuferliteratur eben erzeugt, mit seiner permanenten Form des Contests und der daraus folgenden Moderierung jeder scharfen Auseinandersetzung? Außenseiter, die offizielle Anerkennung finden, sind mir immer etwas suspekt.
Wenn junge Autoren, die vom Schreiben leben wollen, deswegen zu immerwährenden Kotaus vor den Stipendiengebern in Gestalt der von diesen beachteten Juroren (und woran sonst sollten sich diese öffentlich bestellten Literaturförderer denn auch halten? Ich denke nicht, daß ihnen ein Vorwurf daraus zu machen ist.) gezwungen sind - dann entsteht eine Gemeinschaft, so bunt und so diversifiziert und so kreativ wie die Führungsriegen großer Konzerne. Kosten minimieren (wie es die Verläge vorgemacht haben) und Personal einsparen (die Reihen geschlossen halten) als Allheilmitteln ist dann Handlungsmaxime. Und keinesfalls zu öffentlich die Verkaufszahlen diskutieren (das System des Mitschleifens bietet auch ein schönes Ruhekissen für die Mitgeschliffenen).
Ich weiß da auch keinen Ausweg, aber ich denke, das Schreibverhalten der Autoren ist der Faktor, der den mit Abstand geringsten Einfluß auf den Betrieb hat. Daß sich modernes Geschriebenes so gähnend langweilig nivelliert liest (so es denn auf einer etwas breiteren Basis lesbar ist) und scheinbar nur im Zugriff auf extreme Emotionen jenseits der Ekelschwelle noch Farbigkeit simulieren kann, liegt für mich sicher nicht daran, daß die heute Schreibenden weniger Phantasie, weniger Sprachgefühl, weniger Können mitbrächten. Diese sind für mich von Generation zu Generation wohl eher konstant.
ich bemängele weniger sprachgefühl und talent, das bei allen literaturkursteilnehmern und sonstigen jungen kollegen ganz gewiss vorhanden ist, als viel mehr die häufige einfallslosigkeit unserer inhalte. gut möglich allerdings, dass es sich hierbei tatsächlich um ein altersproblem handelt: wir haben einfach noch nicht lang genug geschrieben!
Ja, das wird es sein. Ich wollte nicht stören.
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