07 June 2010

poets' corner: neukölln

da ich in eile bin, gibt es den kommentar zur neuköllner poets' corner lesung der literaturwerkstatt heute ausnahmsweise auf deutsch.

brigitte struzyk irritiert das publikum mit einer wilhelm busch adaption fürs theater neuköllner ghetto. ohren zu und durch.

benedikt wahner (leider habe ich keinen brauchbaren link zu ihm gefunden) hat feministische post-porn theorien studiert und macht uns die hilde domin: jedes gedicht wird zweimal gelesen, und zwar halb gesäuselt und halb gerappt. sein 'porn poem 102' ist ein mash-up aus britney's gimme more und dem meistgesehenen porno auf youporn, und dabei eher eine audio-installation als ein gedicht. alles schön und gut, der einzige wermutstropfen ist sein starker deutscher akzent, der das verständnis der von ihm verwendeten anglizismen erschwert. 

katharina schultens, die nach ihrer lesung gleich von elke erb für den poetenladen rekrutiert wurde, benutzt ebenfalls das ein- oder andere englische wort, wirkt dabei aber souveräner als ihr vorgänger. muss man gedichte allerdings wirklich in "mädchen- und jungstexte" teilen? werde ich sie mal fragen, wenn wir uns das nächste mal sehen. aus ihrem wespengedicht: "an welcher kreuzung werden wir uns ganz am end verheddern?" weitere leseproben gibt es hier.

nico bleutge las vollprofimäßig zum thema erinnerungen versus erfindungen. gut eingeleitete, solide texte. meiner meinung nach der erste dichter, der so gar nicht wie ein dichter aussieht.

philip maroldt (hier zum anlesen auf lyrikmail) war "im gangbangkanal von luxushotels gefangen" und wünschte sich terroranschläge in spandau. gefiel mir von allen am besten. weitere highlights waren die zeilen: "ich besitze alle talente, doch in der mitte meines lebens bin ich in gefahr geraten" und die frage "wer legt einen bypass für gott?"

birgit kreipes arbeiten mochte ich auch sehr gerne, allen gedichten voran das über usedom, das es hier als drittes von oben zu lesen gibt. birgit steht ausserdem kurz vor ihrer ersten einzelveröffentlichung bei fixpoetry.com.

philipp webers gedichte sind im grunde auch sehr gut, klangen allerdings wie nicht mehr fertig - vielleicht zu häufig überarbeitet? highlights: "rückwärts leben, die sprache verneinen" und "das herz in fett eingelegt". eine kritik zu seinen arbeiten von hendrik jackson auf lyrikkritik.de.

catherine hales berührt das publikum mit 'driving through norfolk' und anderen arbeiten, die ich hier bereits zuvor besprochen habe. 

zuletzt liest schließlich tom bresemann, der zu meiner freude stets sein eigenes literarisches süppchen kocht. highlights: "den durchbruch abbrechen" und "auf das notwendige kann ich verzichten".

die besprochene lesung wurde von johann reißer kuratiert, der abgesehen davon, dass er über die gesamte veranstaltung hinweg neben den autoren am lesetisch sitzen blieb, einen wirklich guten job gemacht hat - gratulation zu einer gelungenen lesung in schöner atmosphäre im körnerpark.  

3 comments:

Philip Maroldt said...

vielen dank für das lob. die mitte der lebensreise und die talente sind allerdings ganz hegemanesk von rimbaud und dante zusammengeklaut. ich gebe das vorsichtshalber lieber gleich zu.
aus gründen meiner inneren sicherheit möchte außerdem richtig stellen, daß ich (sinngemäß) sagte: wenn schon anschläge in berin, dann bitte in spandau (so man denn spandau zu berlin rechnet); ich ergänze hiermit auch ganz in horst-köhler-manier, daß ich lediglich eine diskussion über die bevölkerungsstruktur in bestimmten gegenden von spandau anstoßen wollte. in verbindung mit dem "bypass für gott"-zitat klingt dein absatz über mich ein bisschen so, als würde ich als religiöser fundamentalist zur gewalt aufrufen. ich wurde zwar nach einer lesung in neukölln schon einmal "hassprediger" genannt, aber ich fürchte, das ist dann doch zu viel der zweifelhaften ehre; nicht, daß ich mich nicht gut darüber amüsieren würde, aber ich möchte mißverständnissen vorbeugen (denn unter den vielen menschen da draußen finden sich doch viele überfleißige strickdreher): ich strebe lediglich nach reichtum, den ich dann bitte auch absolut terrorfrei genießen möchte. vielleicht – natürlich aus reiner boshaftigkeit – sogar in spandau?

Annina said...

ich hatte Dich keineswegs als religiösen fundamentalisten verbucht - im gegenteil. ist doch schön, wenn mal jemand heiklere themen bearbeitet!

jedenfalls ist das extra namens-p inzwischen entfernt - das war auch abgeschrieben, und zwar falsch, und zwar aus dem internet. sorry dafür und hoffentlich bis bald!

Philip Maroldt said...

weiß ich doch. und die verschiedenen phil(l)ip(p)s machens einem eben nicht immer leicht. :-)