02 February 2011

ephemeroptera (entwurf)

ein ding in einen kessel habt ihr hingebaut
das heizt und obdach gibt ein alter berg
der sich dafür nicht interessiert hat alle
weisheit über gleichgewicht und statik
seinen durchsichtigen kindern anvertraut
(sie kratzen sich in ihren träumen heroin
unter die haut) ich akzeptiere dass natur
ein punkt und viel davon nicht endlich ist
ich habe ein gedicht auf jenem berg als
fahne für das grosse nichts gehisst ich 

habe ein gebet in allen sprachen rückwärts
aufgesagt und nun nicht mehr als einen
tag im leben einen flügelschlag gehabt.

4 comments:

Laras Palimpsest said...

Ist vielleicht eher ein allgemeiner Kommentar, aber würdest du solch einen Text auch bei einer Lesung vortragen?

Soll nicht heißen, dass er schlecht ist, ich persönlich bewerte Gedichte ungerne. Ich mag einige der darin liegenden Bilder. Vom sprachlichen Gewicht hat er mich an Lesungen beim DLL erinnert, denen ich eher kritisch gegenüber stehe, weil die Sprache auf die Zuhöran quasi einbricht und zwangsläufig ein semantisches Verarbeitungschaos auslösen muss. In Diskussionen wurde mir oft entgegnet, dass es nicht darum gehe den "Sinn" des Gedichts zu erschließen. Fair enough, das sehe ich genauso, bzw. ich glaube nicht an diesen "Sinn dahinter". Aber wenn der Sinn nicht darin liegt eine bestimmte Aussage zu machen, worin liegt er dann (und damit meine ich nicht "im Gedicht", sondern "in der Lesung")? Oder: Was unterscheidet ihn dann von den Straßengeräuschen beim Sitzen auf einer Parkbank?

Ich mag verdichtete Sprache, aber ich lese sie eher wie ein Spiel, für das man mehr Zeit braucht als die Zeit die Gebrauchsanweisung zu lesen.

Wie gesagt, ist eher eine allgemeine Frage, aber da ich gesehen habe, dass du auch auf Lesungen bist, interessiert mich deine Meinung dazu.

Liebe Grüße,
Lara

Annina said...

Liebe Lara,

natürlich würde ich solch einen Text auch bei einer Lesung vortragen! Das Gedicht hat, aus meiner persönlichen Sich, sehr wohl einen Sinn, und auch eine Aussage: Das Leben ist so kurz wie ein einziger Flügelschlag, und andere Dinge, z.B. die Natur, überleben dich.

Mit den Leuten vom DLL verglichen zu werden, nun ja, dagegen habe ich grundsätzlich nichts, aber wenn dort jemand schreibt wie ich, dann würde ich einfach mal behaupten, dass die das von mir haben... Umgekehrt ganz sicher nicht.

LG Annina

Laras Palimpsest said...

Naja, ich zweifle ja nicht an dem Sinn, ganz im Gegenteil. Mir geht es um die Situation. Ich halte es grundsätzlich für sehr sinnvoll Gedichte, die man mag, auch von ihren Autoran vorgelesen zu bekommen, ganz einfach weil es sehr inspirierend sein kann (das trifft natürlich ohne Frage auch auf andere Lesan zu, der Ansatz ist dann halt ein anderer).

Im Gegensatz zu Audioaufzeichnungen werden Gedichte in Lesungen aber im Regelfall nur einmal gelesen. Mir hat das nie gereicht um einen Eindruck von dem Gedicht zu bekommen. Sicher, ich nehme etwas mit, etwas abstraktes. Einzelne Wortkonstellationen setzen sich fest, erzeugen Bilder. Es gibt viele Autoran, die damit keine Probleme haben. Ich es deswegen dann irgendwann aufgegeben auf Lesungen zu gehen, auf denen sehr dichte Texte gelesen wurden, die ich vorher nicht kannte.

Ich denke übrigens nicht, dass es so etwas wie eine DLL-Schreibweise gibt, ich habe das nur erwähnt, weil das für mich neben Poetry Slam eine der Hauptbezugsquellen junger Literatur in Leipzig ist. Ich kann daher keine großartigen Vergleiche ziehen.

Liebe Grüße,
L

Annina said...

Hilde Domin hat ihre Gedichte immer zweimal gelesen... War aber auch nötig, weil sie manchmal arg genuschelt hat! ;)

Jedenfalls kann ich den Punkt natürlich verstehen - vielleicht besteht die Hoffnung, dass die Menschheit nach dem ersten Wohlgefühl beim Hören losmarschiert und ein Exemplar des eben Gehörten erwirbt, um dann daheim in Ruhe nachzulesen?

Zumindest mir persönlich geht es in Gedichten häufig um eine Art atmosphärische Schönheit... Da muss man dann nicht immer auch alles rational verstehen, finde ich.